Der Verband
08.07.2008
Es war eine geile Zeit.
Hamburg - Vor zehn Jahren beendete Jörn Renzenbrink, einer der erfolgreichsten deutschen Spieler des letzten Jahrzehnts, im Alter von 26 Jahren seine Tenniskarriere. Einige sagen, es war zu früh, er wäre noch zu jung gewesen, um die Laufbahn zu beenden. Entscheidend ist aber, was Jörn Renzenbrink sagt.
Der ehemalige Profi bereut seine Entscheidung auch zehn Jahre später nicht. Verständlich: Er ist einer der wenigen Profis, der nach einer erfolgreichen Karriere den Schritt ins normale Leben schaffte. Er sicherte sich zwar keinen Platz unter den Top Ten, aber dafür einen an der Universität, in der Familie und im Berufsleben. Heute arbeitet Jörn Renzenbrink als Finanzberater bei MLP. Wir wollten mehr von der ehemaligen Nummer 70 der Weltrangliste und Vater eines zweijährigen Sohnes erfahren und sprachen mit ihm über sein Leben als Tennisprofi und die Zeit danach.
Eigentlich war Jörn Renzenbrink ein ganz normaler Teenager. Er ging zur Schule, traf sich mit Freunden und spielte Tennis - vielleicht mehr als Hobbyspieler, aber nicht jeden Tag stundenlang. An ein Leben als Profispieler dachte er nicht: "Ich war mit 14, 15, 16 Jahren überhaupt nicht so gut, sondern einer von vielen. Bei den Deutschen Meisterschaften habe ich meistens in der ersten Runde verloren", blickt Renzenbrink zurück. Zwischenzeitlich flog der Teenager sogar aus der Verbandsförderung. Aber das hinderte den 1,96 Meter großgewachsenen Athleten nicht daran, im Alter von 18 Jahren überraschend Deutscher Jugendmeister zu werden. Schlag auf Schlag veränderte sich vieles im Leben des Jörn Renzenbrink.
Kurz nach seinem Abitur, das er in Hamburg/Rissen absolvierte, ging es für den 19jährigen auf die Profi-Tour. "Darauf vorbereitet war ich nicht, bis dato hatte ich mir ja gar keine Gedanken gemacht, mein Geld als Tennisspieler zu verdienen", erzählt Renzenbrink. Doch es war genau die richtige Entscheidung. Renzenbrink spielte sich konstant nach vorne und war plötzlich Teil des deutschen Tennisbooms der 90er Jahre. Fachleute sahen ihn als Nachfolger von Michael Stich. Spätestens mit seinem Finaleinzug beim ATP Turnier in Seoul 1994 und seiner Achtelfinalteilnahme bei den US Open im selben Jahr wuchs das mediale Interesse an seiner Person erheblich:
"Jörn Renzenbrink greift an"
"Renzenbrink erst im Finale gestoppt"
"Siegreicher Rothenbaum-Auftakt des Lokalmatadors"
"Kein zweiter Stich, aber einer wie Stich"
"Der Tennisriese Renzenbrink wächst noch"
"Europacup. Renze für Deutschland"
"Renzenbrink: Topfit in den heißen Januar von Australien"
lauteten die Schlagzeilen in Deutschland.
Für den Serve und Volley-Spieler waren die Lobeshymnen der Zeitungen jedoch kein Grund, um abzuheben. "Renze" spielte sich zwar in den Jahren weit nach vorne, aber nie in den Vordergrund. Keine Spur von Starallüren. 1994 sagte er in einem Interview im tennis magazin: "Ich falle nicht merkwürdig auf im Tenniszirkus. Das meine ich nicht spielerisch, sondern ganz allgemein. Ich komme mit allem klar und schotte mich nicht ab, bin weder überheblich noch extrem zurückhaltend. Ich falle eben nicht aus der Rolle und bin deshalb nicht Hauptperson von Fantasiegeschichten in den Zeitungen."
Sehr wahrscheinlich schaffte der ehemalige Profi deshalb den Sprung ins normale Leben leichter als andere Ex-Profis. Im Alter von 26 Jahren beendete er seine Profikarriere und machte daraus keinen großen Hehl: "Natürlich hatte ich auch mit Verletzungen zu kämpfen und das ist für jeden Spieler ein Albtraum, aber im Endeffekt habe ich aufgehört, weil ich es mir nicht mehr zugetraut habe, ganz nach oben zu kommen", erzählt der Hamburger. Ganz so einfach fiel es dem Weltenbummler, der sieben Jahre aus dem Koffer lebte, allerdings dann doch nicht, von einem Tag auf den anderen ein normales Leben zu führen: "Es hat schon ein bis zwei Jahre gedauert, bis ich mich an den normalen Alltag gewöhnt habe. Tennis war so eine intensive Zeit und auf einmal war diese Intensität aus meinem Leben verschwunden", sagt der ehemalige Davis Cup Spieler.
Der Ex-Profi hatte genug Geld eingespielt, um sich nach der Karriere erst einmal ein paar Jahre auf die faule Haut zu legen, aber stattdessen fing er als 27jähriger an, in Hamburg BWL zu studieren. Zwischendurch saß er in den Hörsälen der Mediziner und Psychologen und verfolgte gespannt die Theorien der Professoren. Für Renzenbrink war es Luxus, das zu tun, was ihn interessiert. Zum ersten Mal seit Jahren hatte er endlich wieder Zeit - Freizeit. Der Hamburger genoss es, spazieren zu gehen, zu lesen, Freunde zu treffen und zu feiern. "Ich musste einfach runterkommen. Wenn man sieben Jahre zu hundert Prozent Disziplin zeigt und für eine Sache kämpft, muss man danach erst wieder lernen, sich zu entspannen und normale Dinge zu machen", erklärt der ehemalige Tennisprofi.
Die ehemalige Nummer 70 der Welt war plötzlich ein normaler Student, der nun an seiner zweiten Karriere arbeitete. Über seine vielen Kontakte hätte er mühelos an einen Job rankommen können. Aber so ein Typ ist Jörn Renzenbrink nicht. Seine zweite Karriere wollte er sich selbst erarbeiten und selbst planen. Von Studium, Weiterbildungen bis hin zum Berufseinstieg sind sechs Jahre vergangen. "Klar hatte ich aufgrund meiner Karriere Möglichkeiten, gute Jobs zu kriegen. Aber ich wollte nie durch Vitamin B mein zweites Standbein aufbauen", erzählt der heute 35jährige Finanzberater.
Seine Entscheidung mit 26 Jahren die Tenniskarriere zu beenden, hat Renzenbrink, der mit seiner Freundin und dem gemeinsamen Sohn in Hamburg lebt, nie bereut. Obwohl ein Profileben spannend ist: "Zu Beginn meiner Profizeit wusste ich nicht, wohin die Reise geht. Im normalen Leben kann man alles irgendwie kalkulieren - beim Tennis nicht. Es bleibt immer aufregend", sagt Renzenbrink. Auch wenn das Leben als Profi so viele reizvolle Vorteile wie Reisen, Abwechslung, Spannung und Ruhm bietet, weiß er aber auch: "Auf der Tour herrscht durch all die Konkurrenz auch eine sehr kühle Atmosphäre. Jede Niederlage muss man mit sich selbst ausmachen. Man ist einfach oft tierisch allein. Ein normales Leben ist das nicht." Jörn Renzenbrink wirkt für einen Moment nachdenklich als ließe er in Sekunden noch einmal seine Karriere Revue passieren. Dann sagt er: "Aber unterm Strich bleibt: "Es war ne geile Zeit!"
Quelle: DTB informiert
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