Der Verband
28.01.2020
Interview mit Schiedsrichter Tim Claußen
Hallo Tim. Stell dich bitte einmal kurz vor.
Hallo, mein Name ist Tim Claußen und ich bin 25 Jahre alt. Ich studiere Wirtschaftsingenieurwesen und habe 2011 als Tennisschiedsrichter angefangen. Ich besitze zur Zeit das Bronze-Badge auf internationaler Ebene und schiedse auf vielen verschiedenen Ebenen von der deutschen Bundesliga bis hin zu ATP-Turnieren. Das Schiedsen betreibe ich als Hobby und als Nebenjob während meines Studiums.
Wie bist du dazu gekommen Schiedsrichter zu werden?
Während meiner Schulzeit gab es in meinem Heimatverein, dem TC RW Wahlstedt, ein größeres Tennisturnier. Durch meine Mitarbeit in der Turnierorganisation entstand der der erste Kontakt zu den dort eingesetzten Schiedsrichtern. Da damals wie heute neuer Schiedsrichternachwuchs gesucht wurde, meldete ich mich kurzerhand für den nächsten Ausbildungslehrgang an.
Was/Wer hat dich dazu inspiriert?
Die Inspiration nach der Basisausbildung mehr Zeit dem Schiedsen zu widmen, um letztendlich dann sogar eine internationale Lizenz zu erwerben, bekam ich durch den frühen Austausch mit den höchsten deutschen Offiziellen. Sie gaben mir einen persönlichen Einblick in ihre Arbeit auf den Touren der ATP und WTA sowie bei den berühmten Grand Slams.
Was gefällt dir besonders am Schiedsrichterwesen?
Unabhängig davon, dass die Arbeit auf dem Platz meistens eine Menge Spaß macht, ist einer der schönsten Aspekte unserer Tätigkeit sicherlich das Reisen. So kommt man nicht nur viel innerhalb der eigenen Landesgrenzen herum, sondern auch darüber hinaus gibt es ein breit aufgestelltes Austauschprogramm mit anderen Nationen für die Schiedsrichter. Außerdem finde ich persönlich den Kontakt zu den Kollegen unheimlich bereichernd. Egal ob Medizininformatiker, Richter, Student oder doch professioneller Schiedsrichter, wir begegnen uns stets auf Augenhöhe und haben auch abseits des Courts eine gute Zeit. Zudem wird man von Anfang an, im Vergleich zu anderen Sportarten, fair bezahlt und bis heute finanziere ich mir mein Studium durch das Schiedsrichterwesen. Des Weiteren steigt man als Tennisschiedsrichter bereits in der 2. Deutschen Bundesliga ein, was die Spannung zum einen erhöht. Zum anderen macht es aber auch großen Spaß, als Neueinsteiger bereits wichtige Spiele schiedsen zu dürfen.
Gibt es auch negative Aspekte?
Wie in jeder Sportart können auch wir Tennisschiedsrichter uns nicht davon lösen, Fehler zu machen und dadurch manchmal in unschöner Weise im Mittelpunkt stehen. Im Laufe der Zeit lernt man aber damit umzugehen und kann daraus sogar wichtige Sachen für das spätere Leben lernen wie etwa eine bessere/sicherere Kommunikation im Englischen, bessere Überzeugungskraft der Regelauslegung oder auch eine klare und deutliche Meinungsvertretung.
Wie sieht denn ein normaler Arbeitstag bei dir aus?
Ein Bundesligaspieltag beginnt für mich in der Regel morgens mit der Anreise zum gastgebenden Verein. Dort angekommen machen wir uns mit der Anlage vertraut und richten unsere Live-Scoring-Tablets ein. Nach einem kurzen Austausch mit den Kollegen gilt es dann das erste Match zu leiten. Hierfür werden zunächst der Platz und die Bälle vorbereitet, bevor dann das sogenannte Pre-Match Meeting mit den Spielern stattfindet. Dabei teile ich den Spielern alle für das Match relevanten Informationen mit und die Wahl wird vorgenommen. Dann heißt es im Schnitt anderthalb Stunden volle Konzentration, um die Begegnung bestmöglich zu leiten. Nach meinem ersten Einsatz nutze ich dann die Zeit, um mich kurz zu stärken und dann bei den unerfahreneren Kollegen zuzuschauen, um ihnen im Anschluss Tipps zu geben oder auch interessante Situationen diskutieren zu können. Schließlich endet der Spieltag üblicherweise mit dem Schiedsen eines Doppels, sodass dann meist am Nachmittag die Heimreise angetreten werden kann.
Was war deine bisherige spannendste Erfahrung?
Als erstes denk ich bei dieser Frage oft an das Showmatch zwischen Michael Stich und John McEnroe am Hamburger Rothenbaum vor zwei Jahren. Auch wenn es aus sportlicher Sicht im Grunde um nichts ging, sorgten bei mir ein ausverkauftes Stadion mit über 10.000 Zuschauern und die TV-Live-Übertragung, trotz jahrelanger Erfahrung, für eine gewisse Anspannung.
Kannst du dank deines Hobbys um die Welt reisen?
Wie schon angedeutet ist das sicherlich einer der spannendsten Aspekte unserer Arbeit. In der Tat bekommt man auch als Nicht-Profi einige Möglichkeiten im Ausland zu schiedsen. So kann ich beispielsweise mit Freude auf Einsätze in Israel, China, Schweden, Kroatien und Marokko zurückblicken. Diese Wochen zählen sicherlich ebenfalls zu meinen spannendsten Erfahrungen.
Wie ist der Kontakt zu den Spielern?
Der Kontakt zu den Spielern und ihren Betreuern beschränkt sich grundsätzlich vollständig auf die Wettkämpfe. So ist es aus Gründen der Neutralität beispielsweise unerwünscht, mit Spielern über soziale Netzwerke verbunden zu sein. Gibt es vor dem Einstieg in das Schiedsrichterwesen persönliche Beziehungen zu Spielern, so ist das kein Problem, solange diese den Verantwortlichen mitgeteilt werden, damit man möglichst kein Match eines Bekannten schiedsen muss.
Lastet ein großer Druck auf deinen Schultern während eines Spiels auf Grund von Preisgeldern oder Ranglistenpunkten?
Preisgelder und Ranglistenpunkte beeinflussen meine Arbeit nicht direkt. Zugegeben, oft kenne ich die genauen Zahlen überhaupt nicht. Allerdings bedeuten höhere Preisgelder und mehr Ranglistenpunkte normalerweise auch ein höheres Spielniveau, mehr Zuschauer und insgesamt eine höhere Aufmerksamkeit, sodass mit höheren Turnierkategorien der Druck schon steigt.
Wie kann man Schiedsrichter werden? Benötigt man eine Lizenz oder muss man zum Beispiel eine Ausbildung machen?
Schiedsrichter kann im Grunde jeder werden, der älter als 14 Jahre und Mitglied in einem Tennisverein ist. Der Einstieg erfolgt zunächst über einen Ausbildungslehrgang beim jeweiligen Landesverband. Der Schleswig-Holsteiner und der Hamburger Tennisverband kooperieren hierbei und bieten ein bis zwei Mal im Jahr solch einen Wochenendlehrgang an. Im Anschluss erfolgt noch eine praktische Prüfung. Der nächste Lehrgang findet übrigens am 28./29. März 2020 in Hamburg statt.
Was ist besonders wichtig, um Schiedsrichter zu werden? Muss man etwas Bestimmtes können?
Ich denke die wichtigsten Grundvoraussetzungen sind im Grunde nur Motivation und ein gutes Auge, wobei letzteres sich auch mit der Zeit entwickelt und mit Sehhilfen nachgeholfen werden darf. Darüber hinaus sind ein gewisses Tennisverständnis und Selbstbewusstsein für die Kommunikation mit den Spielern von Vorteil.
Ist der Beruf als Schiedsrichter einfacher als ein “normaler” Beruf?
Vollzeit-Schiedsrichter arbeiten im Jahr in etwa zwischen 25 und 30 Wochen. Im Vergleich zu konventionelleren Berufen scheint dies erstmal deutlich weniger. Allerdings darf hierbei nicht vergessen werden, dass auch am Wochenende geschiedst werden muss. Als reine Tätigkeit neben dem Studium ist es für mich seit Jahren jedoch deutlich spannender und lukrativer als viele andere klassische Studentenjobs.
Das Interview wurde von Moritz von Blittersdorff für funky.de geführt, die junge Seite der Funke Mediengruppe
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